Übungen des täglichen Lebens mit den Action Cards schnell und einfach in den Schulalltag integrieren

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Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber als ich aus der Schule kam, fühlte ich mich auf Vieles vorbereitet, nur nicht auf all die Anforderungen, die im täglichen Leben auf mich warteten. Fachlich und methodisch war ich zwar in den unterschiedlichsten Bereichen ausgebildet.

Wie man einfache alltägliche Handlungen richtig ausführt, musste ich aber oft erst einmal googeln. Denn wie man Knöpfe annäht, Wäsche zusammenlegt oder ein Fenster putzt, habe ich vorab durchaus theoretisch gehört. Die Handlungen praktisch ausgeführt, geschweige denn reflektiert und optimiert, habe ich bis dahin aber kaum. Schon gar nicht durch entsprechende Lernangebote in der (Grund)schule.

Also werkelte ich in den Aufgabenbereichen erst einmal vor mich hin. Bei manchen Aufgaben tat ich mir unnötig schwer, bei anderen war ich mir unsicher, ob mein Weg sie auszuführen, der richtige ist. Schnell wurde mir klar, dass die Übungen des täglichen Lebens im Vergleich zu allem anderen im Unterricht ein bisschen zu kurz kamen. Denn mit dem Bestimmen von Satzgliedern oder ähnlichem kam ich an der Stelle nicht weiter.

Übungen des täglichen Lebens – momentaner Ist-Stand an Grundschulen

Deshalb schaute ich später – während der Lehrerausbildung – immer mal wieder, wie es um die Übungen des täglichen Lebens im Schulalltag mittlerweile so stand. Dabei stellte ich fest, dass diesen Übungen in vielen Grundschulen immer noch keine richtige Aufmerksamkeit zukommt. Manchmal übernehmen die Kinder in Form von Klassendiensten zwar verschiedene Tätigkeiten aus dem täglichen Leben. Manchmal werden sie im Laufe des Schulmorgens auch aufgefordert, verschiedene solcher Tätigkeiten auszuführen. Und doch nimmt man sich in den seltensten Fällen Zeit dafür, den Kindern den korrekten Ablauf einer alltäglichen Handlung einmal vorzuführen. Ich konnte auch nie beobachten, dass man den Kindern die Chance gibt, ihre diesbezüglich erbrachten Leistungen bewusst zu reflektieren oder zu optimieren. Darauf schien weder ein Fokus zu liegen noch schien dafür Zeit zu sein. Vergabe der Dienste lautete die alles entscheidende Devise. Selten: Genaues Erklären der Dienste und noch seltener: Reflexion der Dienstausführung.

Ähnlich verhielt es sich übrigens auch in meinem Unterricht. Auch ich setzte oft voraus, dass die Kinder manch einen alltäglichen Handlungsablauf einfach beherrschen. Dabei vergaß ich manchmal, dass die Kinder eine entsprechende Handlung nur dann richtig ausführen können, wenn sie deren Ablauf mindestens einmal im Detail kennengelernt haben. Mitunter war mir das vielleicht sogar bewusst. Und doch sah ich nie die Möglichkeit, wann und vor allem wie ich in einem ohnehin vollgestopften Schulalltag auch noch die „Übungen des täglichen Lebens“ unterbringen soll. Sie kamen also leider auch in meinem Unterricht häufig zu kurz.

Und das, obwohl ich aus eigener Erfahrung wusste, wie wichtig die Beherrschung von eben jenen Handlungsabläufen für das spätere Leben ist. Denn nur wenn man diese beherrscht, kann man später selbstständig, unabhängig und ohne permanente Internetverbindung 😉 zurechtkommen.

Übungen des täglichen Lebens in den Schulalltag integrieren

Ich hatte die Übungen des täglichen Lebens also immer im Hinterkopf. So auch während meines Besuchs an der Montessori School Bali, als ich im Rahmen des Verb Games auf die traditionellen Action Cards (dt. Aktionskarten) traf. Spontan kam mir die Idee, dass man die Action Cards in etwas abgewandelter Form nutzen könnte, um einige Übungen aus dem täglichen Leben in den Schulalltag zu integrieren. Von den traditionellen Action Cards inspiriert, erstellte ich also die „alternativen“ Action Cards.

Diese muss man sich als rechteckige, postkartengroße Karten vorstellen. Dabei steht auf jeder Karte ein Imperativsatz, der das Kind zur Durchführung einer Aktivität aus dem täglichen Leben auffordert (z.B. Spüle deine Brotdose!). Da Maria Montessori die Übungen des täglichen Lebens in verschiedene Kategorien unterteilte und ich diese Unterteilung aus mehreren Gründen gut fand (bessere Orientierung, Abdeckung verschiedener Übungsbereiche, gezieltes Training einzelner Übungsbereiche), orientierte ich mich bei der Erstellung der alternativen Action Cards daran.

Alternative Action Cards – so kann man sie im Alltag nutzen!

Durch die Action Cards ist die Integration der Übungen des täglichen Lebens in den Schulalltag recht einfach. Man kann, wann immer es die Zeit hergibt, einzelne oder alle Kinder in einer Gruppe aufstellen. Anschließend weist man jedem Kind nach individuellem Bedarf eine Aktionskarte zu. Das Kind führt die entsprechende Aktivität durch. Man selbst beobachtet das Kind dabei aus dem Hintergrund. Wenn ein Kind eine Aufgabe vollständig durchgeführt hat, kommt es zurück. Je nachdem wie man mit den Ergebnissen umgehen möchte (siehe weiter unten), kann im Anschluss daran eine Selbstkontrolle stattfinden. Anschließend weist man dem Kind entweder eine neue Action Card nach individuellem Bedarf zu oder man beendet das Spiel nach einem Durchgang.

Das Action Card-Spiel erfordert also keinen großen Zeitaufwand. Vielmehr können die Action Cards ganz unkompliziert auf verschiedene Weise in den Schulalltag eingebaut werden, z.B. in Form eines festen Rituals, in Form einer Bewegungspause oder einfach zwischendurch.

Einführung der Materialien nicht vergessen!

Nur sollte man sich vorab einmalig die Zeit nehmen und die Action Cards sowie das entsprechende Material einführen. Denn die Kinder müssen wissen, welchen Nutzen die Action Cards für ihr tägliches Leben haben und sie müssen erfahren, wie man die einzelnen Handlungsabläufe richtig ausführt. Dazu führt man einfach selbst den kompletten Kreislauf jeder Aktivität einmal konzentriert, langsam und exakt vor. So haben die Kinder die Möglichkeit, die Bewegungsabläufe der einzelnen Aktivitäten zu analysieren (eine Übersicht über die Bewegungsabläufe der Übungen findest du hier).

Hinweis: Wenn man einen individuellen Unterrichtsstil pflegt, bei dem die Interessen jedes einzelnen Kindes den Ausgangspunkt des Lernens bilden, muss die Einführung der Materialien natürlich keineswegs zu einem vom Lehrer vorgegeben Zeitpunkt erfolgen. Vielmehr kann man das Material den Kindern auch einfach als Impuls im Klassenraum zur Verfügung stellen. Wenn sich ein Kind dann für ein bestimmtes Material interessiert und wissen möchte, was man damit warum und wie macht, kann die Einführung des entsprechenden Materials daraufhin erfolgen.

Regelmäßiges Anwenden der Übungen

Damit die Kinder im Endeffekt die Möglichkeit haben, die Handlungsabläufe zu festigen, müssen sie die Übungen regelmäßig anwenden dürfen. Hierzu eignet sich das Action Card-Spiel. Um euch die Einführung der Action Cards und die Einführung der Materialien zu erleichtern, habe ich unten jeweils einen Ablaufplan für die beiden Schritte beigefügt. Ebenso wie ihr einen Spielplan für das Action Card-Spiel zum Ausdrucken findet.

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Anleitung: Einführung der Action Cards

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Anleitung: Einführung in das Material

Spielablauf-Action-Card-Spiel

Spielablauf Action Card-Spiel

Tipp: Auch Eltern können die alternativen Action Cards zuhause nutzen. Die Einführung, Anweisung und das Action Card-Spiel selbst können dabei auf dem selben Weg wie im Unterricht erfolgen. Nur eben in der 1:1 Betreuung. Wenn die Kinder mit den Aufgaben vertraut sind, bietet es sich zuhause außerdem an, jeden Tag einige Action Cards an einem Memoboard zu befestigen. Dabei lässt man am besten die Kinder nach Interesse einige Action Cards auswählen und macht mit ihnen aus, dass es ihre Aufgabe ist, die Aufgaben bis am Ende des Tages zu erledigen. So fördert man sie auf ihrem Weg hin zur Selbstständigkeit und bindet sie gleichzeitig interessenorientiert plus gezielt in Haushaltsaufgaben mit ein.

Wichtig: Um die Aufmerksamkeit der Kinder zu fokussieren, sollten im Vorfeld alle Materialien, die zur Ausführung einer Übung erforderlich sind, jeweils an einem festen Platz zusammengestellt sein.

Umgang mit den Ergebnissen der Kinder

Damit die Kinder lernen, ihre eigenen Fähigkeiten in einem bestimmten Bereich einzuschätzen, sollte man ihre Ergebnisse nicht nachbessern.

Stattdessen kann man den Kindern durch eine Selbstkontrolle (z.B. auf der Rückseite der Aktionskarte) die Möglichkeit einräumen, sich selbst zu kontrollieren. Dadurch fordert man sie auf, ihr Handeln zu reflektieren. Sie lernen, selbst festzustellen, ob sie einen Schritt vergessen haben bzw. an welcher Stelle im Ablauf sie sich noch schwer tun. Eine Selbstkontrolle kann ganz unkompliziert ergänzt werden. Dazu einfach den vollständigen Ablauf einer Übung zum Beispiel auf der Rückseite notieren (immer entsprechend des folgenden Musters: Material auswählen – Material zur Hand nehmen – Aktivität durchführen – Material zurücklegen).

Alternativ zur Selbstkontrolle kann man die Kinder auch in der Tätigkeit unterstützen (vorausgesetzt, das jeweilige Kind möchte das!). Oder man kann bestimmte Übungen immer wieder selbst durchführen. Dadurch erhalten die Kinder die Möglichkeit zur Beobachtung und Analyse der Bewegungsabläufe.

Egal für welche Variante man sich letztlich entscheidet, worauf es ankommt, ist, dass man die Kinder ihre Leistungen reflektieren lässt und ihnen immer wieder Gelegenheiten zum Üben einräumt. Denn nur so können sie aus ihren Fehlern lernen und diese als Lernchancen begreifen.

Variationsmöglichkeiten des Action Card-Spiels

Abgesehen von dem oben beschriebenen Spielablauf kamen mir unendliche weitere Möglichkeiten in den Sinn, das Action Card-Spiel zu spielen. Daher habe ich eine kleine Auswahl an Variationsmöglichkeiten unten aufgeführt. Daneben gibt es noch unzählige weitere Möglichkeiten, die sich auch alle wieder auf vielfältige Weise miteinander kombinieren lassen. Insgesamt sollten schließlich die individuellen Bedürfnisse der Lerngruppe beziehungsweise des einzelnen Kindes entscheiden, welche Variante man wählt.

Möglichkeit 1: Selbstständiges Erlesen der Aufgabe

Wenn die Kinder bereits lesen können, kann man jedem Kind eine Karte überreichen und das Kind bitten, die Aufgabe laut vorzulesen beziehungsweise leise zu erlesen. Dadurch wird nicht nur jedes einzelne Kind aktiviert, sondern das sinnentnehmende Lesen wird auch praxisbezogen und ohne großen Aufwand gefördert.

Tipp: Die Aufforderungssätze einfach dem Leseniveau der Kinder anpassen.

Möglichkeit 2: Ergänzung des Textes um Bildchen

Zur Differenzierung (z.B. bei DaZ, LRS) kann man zusätzlich zu dem Text ein entsprechendes Bildchen auf der Aktionskarte abdrucken.

Möglichkeit 3: Begrenzung der Übungen auf einen Bereich

Statt mit der gesamten Gruppe alle Bereiche zu trainieren, kann man die Kinder auch individuell den Übungen zuteilen oder Übungen auf einen bestimmten Übungsbereich begrenzen (Stichwort: Umgang mit Heterogenität/Differenzierung).

Möglichkeit 4: Spielen in Kleingruppen

Dazu kann man die Kinder in Kleingruppen einteilen und sie das Spiel untereinander spielen lassen. Diese Vorgehensweise ermöglicht die gegenseitige Kontrolle unter Gleichaltrigen, fördert das soziale Lernen und trägt zur Entwicklung einer Feedback-Kultur bei (Stichwort: Lernförderliches Unterrichtsklima). Die individuelle Zuweisung von Übungen kann dabei etwas schwierig werden. Oft kennen sich die Kinder untereinander jedoch so gut, dass sie diese Zuweisung mit Bravour meistern.

Möglichkeit 5: Selbstständiges Entwerfen von Aktionskarten

Um Schülerpartizipation zu verwirklichen, die Interessen der Kinder zu wecken und Handlungsspielräume zu schaffen, können die Kinder selbst Aktionskarten gestalten. Alternativ können sie auch die beigefügten Blanko-Aktionskarten mit Wunschübungen beschriften. Allerdings muss man darauf achten, dass das Material zum Ausführen der Übungen dann auch verfügbar ist.

Möglichkeit 6: Würfel statt Karten

Wenn man sich als Lernbegleitung in der Rolle des Spielleiters zurücknehmen möchte, kann man Würfel mit Einstecktaschen (Anzeige) statt Karten einsetzen. Die Kinder dürfen nacheinander würfeln. Jedes Kind führt die gewürfelte Übung durch. Die Lernbegleiterin beobachtet aus dem Hintergrund.

Durch diese Variation entfällt die individuelle Zuweisung von Übungen weitestgehend. Außer man präpariert die Würfel entsprechend. Das heißt, man steckt in die Einstecktaschen des Würfels nur Übungen, die dem individuellen Übungsbedarf eines Kindes entsprechen. Oder man setzt in seiner Lerngruppe nur Würfel ein, mit denen man bestimmte Übungsbereiche trainiert.

Bedenken muss man bei der Würfel-Variante, dass die Aktivitäten ggf. mehrfach gewürfelt und so auch mehrmals ausgeführt werden. Dabei macht das mehrfache Ausführen nicht bei jeder Übung Sinn. Manchmal ist es aufgrund des vorhandenen Materials auch nicht zwangsläufig möglich. Von daher am besten nur Übungen in den Würfel packen, die problemlos parallel und mehrmals durchgeführt werden können (z.B. jemanden umarmen etc.). Und das Spiel bei dieser Variante am besten auf einen Durchgang begrenzen.

Fazit zu den Action Cards

Durch die alternativen Action Cards trainieren die Kinder Übungen des täglichen Lebens gemäß dem Leitsatz von Konfuzius: „Was du mir sagst, das vergesse ich. Was du mir zeigst, daran erinnere ich mich. Was du mich tun lässt, das verstehe ich“. Dadurch wird ihr kindlicher Drang zur Selbstständigkeit und Unabhängigkeit gefördert. Zudem ermöglicht man den Kindern dadurch wirklich ein Lernen für’s Leben und nicht nur ein Lernen für die Schule. Gleichzeitig motiviert man die Kinder auf unkomplizierte Weise im Haushalt beziehungsweise im Klassenzimmer mitzuhelfen ;-). Denn mithelfen will eigentlich jedes Kind. Vorausgesetzt, es weiß wie.

Da es bezüglich Übungserweiterung und Spielvariationen unendliche Möglichkeiten gibt, sind der Kreativität und der Partizipation dabei keine Grenzen gesetzt. Indem man jede Übung komplett ausführt und das dafür notwendige Material an einem festen Platz bereit stellt, unterstützt man die Kinder bei der Bildung einer inneren Ordnung. Ein weiterer positiver Nebeneffekt der alternativen Action Cards ist, dass ihr Einsatz weder einen großen Materialaufwand noch besondere Rahmenbedingungen erfordert. So können die Action Cards wirklich überall – gemäß entsprechender Voraussetzungen – eingesetzt und gespielt werden.

Nun wünsche ich euch ganz viel Spaß mit den Action Cards und freue mich auf euer Feedback aus der Praxis!

Herunterladen kannst du dir die alternativen Action Cards hier:

Inhaltlicher Hinweis: Ich habe auf den Kärtchen immer geschrieben „Schreibe jemandem …“, „Mache jemandem …“. Wenn man in seiner Lerngruppe bemerkt, dass bei der Formulierung „jemandem“ manche Kinder aus der Klasse immer wieder außen vor bleiben, kann und sollte man dem entgegenwirken, indem man alternativ auf die Formulierung „deinem Sitznachbarn“ ausweicht, um den betroffenen Kindern das unschöne Gefühl der Ausgrenzung zu ersparen.

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