Inhaltsverzeichnis
- Höflichkeitsritual zu Schulbeginn
- Klassenzimmer der Ersten Klasse
- 1. Stunde: Englischunterricht im English Classroom
- 2. Stunde: Kennenlernen der Klassenlehrerin
- Frühstücks- und Hofpause
- 3./4. Stunde: Mit Reibungslosigkeit und Schwung geht’s weiter
- 5./6. Stunde: Spanischunterricht
- Ein Blick ins Klassenzimmer
- Organisiertes Unterrichtsende
- Fazit zu meinem Schulbesuch am Centro Educativo Nicolás Cámara Luján
Heute war ich zu Besuch in der ersten Klasse des Centro Educativo Nicolás Cámara Luján in Mérida in Mexiko. Schulbeginn war um 7.30 Uhr. Jedoch musste man um 7.00 Uhr dort sein. Also machte ich mich rechtzeitig auf den Weg. In langen Hosen, Bluse und mit zusammengebundenen Haaren. Denn am Centro Educativo Nicolás Cámara Luján war Dresscode angesagt. Schon von Weitem entdeckte ich einen Polizisten, der die Schule bewachte und den Kindern half, die Straße zu überqueren. Das kannte ich in ähnlicher Form schon von meinem Schulbesuch an der Escuela Primaria Juio Ruelas in Tulum. Nachdem ich das Treiben außerhalb ein bisschen auf mich wirken gelassen hatte, begab ich mich auf das Schulgelände.
Höflichkeitsritual zu Schulbeginn
Auf das Läuten der Schulklingel wartend, beobachtete ich dort die Kinder und teilweise auch deren Eltern dabei, wie sie die Schulleiterin, die dazu extra an einem Tisch im Empfangsraum Platz nahm, mit „Buenos dias“ (dt.: Guten Morgen) beziehungsweise „Buen dia“ (dt.: Guten Tag) begrüßten. Vergaß ein Kind zu grüßen, hieß es „De nuevo por favor“ (dt.: Noch einmal, bitte). Dazu musste das Kind zurück zum Eingangstor laufen, erneut den Durchgangsraum betreten und diesmal an den Begrüßungsakt denken. Durch dieses Höflichkeitsritual am Morgen soll der freundliche Umgang miteinander gefördert werden.
Klassenzimmer der Ersten Klasse
Pünktlich um 7.30 Uhr ertönte die Schulklingel und ich ging ich zum Klassenraum der ersten Klasse. Dort angekommen, wurde ich von der Englischlehrerin Lina begrüßt. Sie war sehr munter und erzählte mir begeistert, dass sie in allen Grundschulklassen der Privatschule täglich eine Stunde Englisch unterrichtet. In einem extra dafür eingerichteten „English Classroom“. Wie sie ergänzte, ist dabei die erste Klasse täglich von 7.30 Uhr bis 8.30 Uhr an der Reihe. Also machten wir uns gemeinsam mit den Kindern vom normalen Klassenzimmer auf den Weg ins Englischklassenzimmer.
1. Stunde: Englischunterricht im English Classroom
Dort stellte mich Lina erst einmal allen 19 in Uniform gekleideten Kindern vor. Danach übten wir gemeinsam die Frage-Antwortstruktur „What’s your name? – My name is …“. Das sollte den Kindern die Hemmungen nehmen, mich anzusprechen. Und es funktionierte. Als die Kinder im Laufe der Stunde dann noch herausfanden, dass es in meinem Mäppchen einen Radiergummi und einen Spitzer gab, legten auch die Letzten ihre Hemmungen ab.
Exkurs: Ein Spitzer und ein Radiergummi aus einem fernen Land sind halt einfach interessant 😉
Es ist wie ein ungeschriebenes Gesetz: Egal, in welcher Schule ich bislang war. Nachdem die Kinder entdeckten, dass ich einen Radiergummi und einen Spitzer dabei hatte, waren nicht nur ihre Hemmungen mir gegenüber wie weggefegt (sie sahen mich als Kollegin 😉), sondern ihre Bleistifte brachen anschließend auch im Akkordtempo ab, ebenso wie munter über die Linie geschrieben wurde. So hatten sie einen Grund, an meinem Platz vorbeizuschauen und nach dem Spitzer beziehungsweise dem Radiergummi zu fragen. Lustig war, dass sie während ihres Besuches immer mal wieder durch Anfassen prüften, ob denn meine Hautfarbe echt ist. Auch die Haare wurden einer Inspektion unterzogen. Ein Selfie oder besser gesagt „una foto“ musste da zur Erinnerung natürlich drin sein 😉.
Bewegungslieder
Nach dem Vorstellen und Kennenlernen sangen wir gute 25 Minuten die unterschiedlichsten Bewegungslieder (u.a. The Alphabet Song, The wheels on the bus, Five little dugs) und tanzten fleißig mit. Zur musikalischen Begleitung schloss Lina übrigens ihren Laptop ans Soundsystem im Klassenzimmer an.
Vokabeln lernen und abschreiben
Dann war Wortschatzerweiterung angesagt. Dazu schrieb Lina zehn englische Vokabeln (Verben) an die Tafel. Im Anschluss daran lasen wir alle gemeinsam die Wörter der Reihe nach. Dann wurde in einem gemeinsamen Unterrichtsgespräch die Bedeutung der Verben geklärt, bevor die Lehrerin die spanische Übersetzung dahinter schrieb. Während dieser Unterrichtsphase lernte ich übrigens mindestens ebenso viel wie die Kinder. Meine Spanischkenntnisse erfuhren ein Update. Als die Kinder anschließend die Verben in ihr English-Notebook übertrugen, wurde sehr viel Wert auf Blatteinteilung, Sorgfalt, Genauigkeit und Sauberkeit gelegt – sowohl von den Kindern als auch von der Lehrerin. Die Vermittlung von fachlichen Inhalten und Tugenden geschah also parallel.
Bevor die Kinder und ich kurze Zeit später Lina und den English-Classroom in Richtung normalen Klassenraum verließen, erklärte sie mir noch, dass sie mächtig stolz auf ihre Kinder sei. Schließlich können sie nach vier Wochen Schule schon zehn englische Lieder auswendig.
2. Stunde: Kennenlernen der Klassenlehrerin
Zurück im normalen Klassenzimmer, das seinem Aussehen nach eher einer Mini-Metzgerei glich, lernte ich zu Beginn der zweiten Stunde die Klassenlehrerin der ersten Klasse kennen. Sie hatte bereits einen Stuhl für mich neben der Eingangstür bereit gestellt. Mit Worten konnten wir uns leider nicht verständigen. Dazu waren meine Spanischkenntnisse trotz Übung einfach noch zu lückenhaft. Englisch wiederum war für die Klassenlehrerin Neuland. Sympathisch waren wir uns trotzdem auf Anhieb. So freute ich mich auf die kommenden fünf Stunden mit ihr.
Tische putzen als tägliches Ritual zu Unterrichtsbeginn
Die Klassenlehrerin war schon etwas älter und sehr transparent in ihrer Zielsetzung und Organisation. Bevor sie mit dem Unterricht loslegte, bekamen die Kinder von ihr feuchte Tücher in die Hand gedrückt (im Klassenzimmer gab es kein Waschbecken). Damit mussten sie ihren Tisch – und wenn die Lehrerin Bedarf sah auch ihre Stuhllehne – von Bleistiftgekritzel befreien. Wie ich später erfuhr, ist das ein tägliches Ritual, durch das die Kinder lernen sollen, Verantwortung zu übernehmen und die Folgen für ihre Handlungen (in dem Fall Tische beschmieren) zu tragen. Auch Arbeitstugenden wie Sauberkeit und Ordnung sollen dadurch angebahnt werden. Nebenbei ermöglicht das Wegwischen des Gekritzels zu Unterrichtsbeginn später, im anschließenden Unterrichtsverlauf, ein konzentrierteres Arbeiten an einem sauberen Arbeitsplatz.
Hinweis: Kinder, die einen sauberen Tisch hatten, lobte die Klassenlehrerin übrigens und schätzte dadurch ihren Sauberkeits- und Ordnungssinn.
Tipp: Um das Tische putzen umweltfreundlicher zu gestalten, könnte man als Lehrperson mit einem Wassereimer umhergehen und jedes Kind könnte seinen wiederverwendbaren Putzlappen darin nass machen.
Mathematikunterricht – Thema Längen
Die Bänke geputzt, ging es mit „Matemáticas“ weiter. Dazu hatte die Klassenlehrerin an der Tafel bereits einen Satz notiert („El metro es una medida de longitud.“, dt.: Der Meter ist ein Maß für die Länge.), den im folgenden alle Kinder inkl. Skizze zu den Bezeichnungen „corto“ (dt.: kurz) und „largo“ (dt.: lang) fünf mal in ihr Schulheft übertragen mussten.
Längen waren also Thema der Stunde. Das konnte nicht mal ich als Nicht-Spanisch-Sprechende verfehlen. Dazu sprach die Lehrerin eine viel zu deutliche Lehrersprache, die sie mit entsprechender Mimik und Gestik stets eindrucksvoll untermauerte. Sprachlich war also alles klar.
Vielfältige und regelmäßige Festigung des Gelernten
Zudem wiederholte sie diesen einen Satz drei Stunden lang und erklärte parallel immer wieder den Unterschied zwischen „corto“ (dt.: kurz) und „largo“ (dt.: lang) auf vielfältige Weise, wodurch sie für inhaltliche Prägnanz sorgte. Gleichzeitig machte sie den Kindern die Bedeutung des Lerninhalts für den Alltag transparent. Dazu ließ sie die Kinder zum Beispiel vermuten, welche Seite im Klassenzimmer kürzer und welche länger ist. Zur Überprüfung fing sie an, die Fliesen beider Wände zu zählen. Spätestens nach der vierten Fliese zählte auch das letzte Kind mit und alle waren dabei. Am Ende konnte jedes Kind selbst für sich erkennen, ob es mit seiner anfänglichen Vermutung richtig lag oder nicht. Um zu erreichen, dass am Ende des Schultages wirklich alle Kinder den Unterschied zwischen „corto“ (dt.: kurz) und „largo“ (dt.: lang) verstanden haben, führte sie gute zwei Stunden lang in regelmäßigen Abständen weitere solcher alltagsnaher Versuche durch und ließ dabei von den Kindern auch Transferleistungen erbringen.
Wissensanwendung
Zwischen den einzelnen Versuchen übertrugen die Kinder den Tafelanschrieb weiter in ihr Heft. Nachdem sie damit fertig waren, durften sie in Einzelarbeit ein entsprechendes Arbeitsblatt dazu bearbeiten und ihr zuvor erworbenes Wissen anwenden.
Selbstdisziplin im Unterricht
Während all der Zeit nahm die Lehrerin stetig auf das unterschiedliche Lern- und Arbeitstempo der Kinder Rücksicht. Sie schob regelmäßig Aufgaben nach, verlangte aber nicht, dass jedes Kind mit vorherigen Aufgaben fertig sein musste. Auf unterschiedliche Lernausgangslagen, Interessen, Fähigkeiten und die unterschiedliche Lernbereitschaft ging sie leider nicht ein. Ihre vorgegebene Menge an Inhalten galt es zu bearbeiten. Gerne in individuellem Tempo, dafür ohne zu meckern. Selbstdisziplin war gefordert.
Das schien innerhalb der Lerngruppe auch klar zu sein. Denn verbales Störverhalten und aggressives Verhalten war während des gesamten Schulmorgens fast gar nicht zu beobachten. Mangelnder Lerneifer und motorische Unruhe (z.B. herumlaufen, zappeln) ließen sich ab einem gewissen Zeitpunkt dennoch nicht mehr unterbinden. Auch wenn es die Lehrerin mit dem Satz „Siéntate bien“ (dt.: Setz dich ordentlich hin) bis zuletzt versuchte. Und auch, obwohl die Tische mit den Stühlen verbunden waren und eine Klappe hatten, in der die Kinder all ihre momentan nicht benötigten Materialien verstauen konnten. Dadurch begriff ich, wie wichtig es ist, in meinem Schulkonzept diesen Bewegungsdrang der Kinder vollständig zu berücksichtigen.
Frühstücks- und Hofpause
Gegen 9.50 Uhr gab es eine Frühstücks- und Hofpause. Diese war gleichzeitig auch die einzige Pause während des gesamten sechsstündigen Schulmorgens, der – wie ich finde – für Erstklässler ziemlich lang ist. Disziplin wurde also durchweg verlangt. Kurze Trinkpausen zwischen den Unterrichtsstunden oder eingeplante Toilettenpausen gab es nicht. Diese waren auch nicht vorgesehen. Denn jedes Kind musste seine separate Tasche mit dem Schulfrühstück gleich morgens zu Schulbeginn vorne im Klassenzimmer abstellen. Darüber, ob dieses pausenlose Unterrichten sinnvoll ist, kann man auf jeden Fall diskutieren. Schließlich sinkt mit niedrigen Blutzuckerwerten die Konzentrations- und Aufnahmefähigkeit. Die Zeit, die man durch das Einsparen der Pausen gewinnt, verliert man also im Endeffekt wieder.
Organisiertes Verlassen des Klassenzimmers
Damit es zu Beginn der Hofpause kein Gerangel am Taschenlager gab, schickte die Klassenlehrerin die Kinder nacheinander in die Pause. Immer 5er-weise durften sie ihre Frühstückstaschen holen. Die Pause verbrachten die Klassenlehrerin und ich mit der Klasse auf dem Pausenhof. Denn an der Schule gab es die Regelung, dass die Lehrpersonen den ganzen Tag mit ihrer Klasse verbringen. Ein Aufenthalt im Lehrerzimmer im Laufe des Schulmorgens war nicht vorgesehen. Übrigens hatten nicht alle Klassen gemeinsam Hofpause, sondern immer eine niedrigere und eine höhere Klassenstufe der Elementarstufe kombiniert. Das war sinnig, weil man als Lehrperson die Kinder besser im Blick hatte und es auf dem Schulhof nicht so laut war. Gleichzeitig litt darunter der Austausch mit Kindern aus anderen und höheren Klassenstufen.
Sauberhalten des Schulhofs
Bevor sich die Erstklässler zum Pausenende hin im Klassenzimmer einfanden, achtete die Klassenlehrerin sehr streng darauf, dass sie ihren Müll mitnahmen beziehungsweise in einer Mülltonne auf dem Schulhof entsorgten. Schließlich sollte der Schulhof sauber bleiben. Bezogen auf ihren eigenen Müll ging sie dabei als Vorbild voran und wirkte dadurch – wie den ganzen Schulmorgen über – in ihren Vorgaben authentisch.
3./4. Stunde: Mit Reibungslosigkeit und Schwung geht’s weiter
Zurück im Klassenzimmer stellten die Kinder nacheinander ihre Frühstückstaschen vorne ab. Dann ging es ohne Verzögerungen direkt mit dem Unterricht weiter. Denn Pünktlichkeit hatte Bedeutung. Die Kinder sollten mit einem Muster, bestehend aus zwei Wirbeln und zwei leeren Kästchen, eine Seite ihres Matheheftes füllen. Die beiden leeren Kästchen sollten ihnen dabei nochmals den Begriff „distancia“ verdeutlichen.
Wer damit fertig war, durfte ein kleines Tafelbild zu den primären Farben in sein Heft übertragen. Nicht, ohne jede Farbe zehnmal unter die entsprechende Form zu schreiben. Sauber und ordentlich natürlich. Denn das Gelernte durch Wiederholung zu festigen und auf Sauberkeit zu achten waren neben der behutsamen und eindringlichen Vermittlung von Unterrichtsinhalten durchgängige Prinzipien.
Verschlechterung der Lernbedingungen ab Pausenende
Ab Pausenende waren die Fenster, von denen es in dem Klassenzimmer nur zwei gab, wegen steigender Außentemperaturen verschlossen. Mit Fensterläden. Außerdem brummten von nun an die Ventilatoren und die Klimaanlage. Das Gute daran, im Klassenzimmer war es angenehm kühl. Nicht ganz so gut war, dass es aufgrund der Brummer wirklich laut im Klassenzimmer wurde. Außerdem löste von nun an künstliches Licht das natürliche Licht ab. Zu ändern waren diese Bedingungen für den Moment nicht. Also mussten alle Disziplin erweisen. Und das taten sie, obwohl die Konzentrationsfähigkeit verständlicherweise sichtbar nachließ.
5./6. Stunde: Spanischunterricht
In den letzten beiden Stunden stand dann „Español“ (dt.: Spanisch) auf dem Plan. Inhaltlich sowie methodisch-didaktisch muss man sich diese beiden Stunden wie folgt vorstellen. Anfangs schrieb die Lehrerin sieben kurze Sätze an die Tafel. Jeweils mit einem großen, roten Buchstaben am Satzanfang. Denn auch darauf legte sie sehr viel Wert. Die Kinder mussten durchgängig in allen Fächern den großen Buchstaben am Satzanfang mit Rotstift schreiben, um zu verinnerlichen: Am Satzanfang schreibt man groß! Nachdem die Klassenlehrerin die Sätze angeschrieben hatte, ging sie gemeinsam mit den Kindern nochmals das spanische Alphabet durch. Dann lasen alle gemeinsam die Sätze an der Tafel im Chor. Anschließend sollten die Kinder die Sätze in ihre Spanischheft übertragen.
Differenzierung nach Lern- und Arbeitstempo
Dabei konnte ich feststellen, dass die Lehrerin auch nach der Pause zwar stetig im Stundenplan voranschritt, die Kinder aber dennoch an vorherigen Unterrichtsinhalten weiterarbeiten durften, wenn sie damit noch nicht fertig waren. Das heißt, wenn noch ein Kind mit Mathe beschäftigt war, erledigte es zuerst Mathe, bevor es die Sätze vom Whiteboard ins Spanischheft übertrug. Das Arbeiten im eigenen Rhythmus hatte dabei nicht nur für die die Kinder Vorteile, sondern auch für die Klassenlehrerin. So tummelten sich nie alle Kinder gleichzeitig mit ihren Heften um ihr Pult. Stattdessen kamen die Kinder nacheinander, immer wenn sie mit einer Aufgabe fertig waren oder eine wichtige (!) Frage hatten. Die Lehrerin hatte dadurch Zeit, die Hefte der Kinder sorgfältig und gewissenhaft durchzusehen. Ebenso wie sie ihnen Lern-/Erklärungshilfe leisten konnte.
Ein Blick ins Klassenzimmer
Auch ich hatte dadurch Zeit, um mich im Klassenzimmer genauer umzuschauen. Dabei erkannte ich unschwer, dass die Klassenlehrerin eine Vorliebe für’s Basteln und für Moosgummi hatte. Durch ihre Bastelarbeiten gestaltete sie das Klassenzimmer liebevoll und einladend. Was für den Raum eine echte Herausforderung war. Gleichzeitig vermute ich, dass die Bastelarbeiten, die ich sah, nur der Anfang waren. Denn auf dem Schrank lagerten Moosgummi-Platten in vielen unterschiedlichen Farben. Da das Schuljahr gerade erst begonnen hat, folgt da bestimmt noch so einiges 🙂.
Schlechte räumliche, dafür gute technische Ausstattung
Bei meiner „Inspektion“ entdeckte ich außerdem einen nagelneuen Beamer an der Decke und eine einwandfreie Klimaanlage an der Wand. Dabei brachte mich die schlechte räumliche, aber gleichzeitig gute technische Ausstattung zum Nachdenken. Wäre eine Kombination aus beidem in einer Bildungsinstitution nicht erstrebenswert?
Organisiertes Unterrichtsende
Egal. Zum Sinieren blieb keine Zeit, schließlich neigte sich der Schultag dem Ende. Das allgemeine Unterrichtsende wurde gegen 13.30 Uhr durch ein Klingelzeichen bekanntgegeben. Das hieß jedoch nicht, dass zu dieser Zeit alle aus dem Saal stürmten. Vielmehr wurden die Kinder, deren Eltern im Empfangsraum zum Abholen bereit standen, von der Schulleiterin nacheinander beim Namen aufgerufen. Denn jedes Kind der Schule durfte sein Klassenzimmer erst verlassen, wenn die Eltern zum Abholen da waren.
In der Klasse, in der ich war, bestand eine weitere Bedingung das Klassenzimmer verlassen zu dürfen darin, dass man alle Arbeitsblätter eingeklebt und alle Tafelbilder ins Heft übertragen haben musste. Da das in unserer Klasse nicht alle Kinder hatten (Stichwort: unterschiedliches Lern- & Arbeitstempo), blieb die Lehrperson 45 Minuten länger, bis auch das letzte Kind alles erledigt hatte.
Fazit zu meinem Schulbesuch am Centro Educativo Nicolás Cámara Luján
Mein Tag am Centro Educativo Nicolás Cámara Luján in Mérida war eindrucksvoll. Ich erfuhr viel über die Vermittlung von Werten und Tugenden im Unterrichtsalltag. Denn dort war die Werte- und Tugendvermittlung nicht an ein spezielles Unterrichtsfach oder eine spezielle Unterrichtseinheit geknüpft. Vielmehr erfolgte sie permanent im Laufe des Schulmorgens parallel zur Vermittlung von fachlichen Inhalten. Schön zu sehen war dabei für mich, wie pflichtbewusst sich die Lehrpersonen selbst an die vereinbarten Werte und geforderten Tugenden hielten. Sie waren nicht nur Vermittler, sondern gleichzeitig auch Repräsentant und Vorbild. Sie lebten das, was sie forderten, zu jeder Zeit vor.
Die Vermittlung von Unterrichtsinhalten war an diesem Tag auf den Frontalunterricht beschränkt und von Lehrervorträgen geprägt. Differenziert wurde nur nach Lern- und Arbeitstempo. Dadurch wurden individuelle Interessen und Lernbedürfnisse weitestgehend ausgeklammert. Dem hätte man durch eine materialbasierte Arbeitsphase, in der den Kindern differenziertes Lernmaterial zur Verfügung gestellt worden wäre, entgegenwirken können.
Aus Lehrerperspektive beeindruckend fand ich, wie präsent die Klassenlehrerin war. Sie hatte wirklich immer alle Kinder im Blick. Unterrichtsstörungen beugte sie durch ihre Lehrerpräsenz vor beziehungsweise erstickte sie direkt im Keim. Was die Einhaltung vereinbarter Regeln anging, war sie streng und kompromisslos. Gleichzeitig zu jeder Zeit wertschätzend und respektvoll den Kindern gegenüber. Neben der Vermittlung von Werten und Tugenden war ihr die Festigung des Gelernten durch Wiederholung wichtig – unabhängig vom jeweiligen Fach. Das machte sie deutlich. So wusste man bei ihr immer, woran man ist.
Alles in allem war es für mich interessant, einmal bei einer Lehrerin aus der älteren Generation hospitieren zu dürfen. Es war eine neue, eine andere, eine bereichernde Erfahrung. Danke, dass ich bei Ihnen im Unterricht Gast sein durfte!